Daedalic Entertainment hat sich wahrlich selbst übertroffen –„The Pillars of the Earth“, also „Die Säulen der Erde“ ist nicht nur visuell mitunter das schönste, das dem Gamestudio aus Hamburg bisher entsprungen ist; bei diesem Titel stimmt einfach alles: die Story, das Visualdesign, der Sound und die generelle Umsetzung eines Romans als Adventuregame. Allerdings soviel vorab: Ich habe das gleichnamige Buch von Ken Follett leider nie gelesen. Wer also auf detaillierte Vergleiche hofft, wie genau das Spiel nun dem Buch entspricht, muss leider weiter klicken.
Ein interaktiver Roman
Was ich aber sagen kann ist, dass mich das erste Buch von „Die Säulen der Erde“, das den Titel „Aus der Asche“ trägt, unerwartet stark begeistert hat. Eines meiner absoluten Lieblings-Entwicklerstudios bringt ein neues Game raus – klar, dass ich es testen möchte. Aber dass mich ein doch sehr stark narrativ ausgelegtes Game so sehr fesseln würde, wer hätte das gedacht? Ich nicht. Und ich bin absolut froh, dass ich mich getäuscht hatte!
In Buch 1 des neuen Daedalic Games spielen wir in sieben wunderschön gezeichneten Kapiteln die Geschichte dreier Hauptfiguren: Tom, der Architekt, Philip, der Mönch und Aliena, die junge Adlige. Aber auch den Jungen Jack mit seinen wilden roten Haaren lernen wir kennen, der mit seiner Mutter alleine im Wald lebt. Dabei bewegen wir uns in einem Schauspiel der Extreme, die in ihrem Zusammenspiel aber nicht stressen, sondern eine starke Einheit bilden, die uns als Spieler mitreißt und gleichzeitig erdet. Von Intrigen, lodernden Flammen des Teufels und dem nahen Hungertod über dramatische Geburtsszenen mitten im Wald bis hin zu der Tatsache, einen Krieg verhindern zu müssen ist alles und noch viel mehr dabei.

Bildquelle: Daedalic Entertainment
Schwere Kost leicht verpackt
Nachdem man zu Beginn jeden Charakter und seine Nebenfiguren einzeln kennenlernt und die Geschichte von „Die Säulen der Erde“ durchläuft, kreuzen sich allmählich die Wege und führt alle Personen zum selben Schauplatz zusammen. Danach ist der Wechsel zwischen den einzelnen Erzählsträngen praktisch fließend und es fällt einem kaum auf, wie man mal den einen und mal den anderen Protagonisten durch die damaligen Missstände des 12. Jahrhunderts und all die Probleme geleitet, die die Bürger damals heimsuchten. Jeden auf seine ganz persönliche Art und Weise. Da ist der Vater, der nicht weiß, wie er seine Familie über den Winter bringen soll und sein Neugeborenes aussetzt, das Kloster in Kingsbridge, das beinahe dem Untergang geweiht ist, weil es jahrelang von einem inkompetenten Prior geleitet wurde und der nahende Bürgerkrieg, der von Lügen, Intrigen und machthungrigen Menschen geschürt wird und gestoppt werden muss.
Ganz schön harter Tobak. Allerdings liebevoll umgesetzt, sodass die Geschichte gar nicht schwer auf einem lastet und man sich dessen völlig unbemerkt durch die vielen Szenen spielt, die mit allerlei Liebe zum Detail gestaltet wurden.
2D Point ’n Click is not dead!
Das Gameplay des Spiels ist so simpel wie bezaubernd: Die altbekannte Point ’n Click Mechanik (wenn auch in etwas vereinfachter Form) wird durch Dialoge angereichert, die durch die Antwortentscheidungen des Spielers geformt werden und auch die Charakterentwicklung einiger Nebenfiguren beeinflussen. Zusätzlich dazu, gibt es noch eine Art „Story-Map“, die immer dann die Erzählung überbrückt, wenn sich die Charakter auf Reisen begeben. Eine clevere Art, nicht unbedingt für absolut jeden Handlungsstrang in ein eigenes Szenendesign investieren zu müssen (abgesehen davon, dass „Die Säulen der Erde“ mit ~200 Einzelszenen im Game in der Richtung ohnehin schon ziemlich gut vorlegt!). Während der Spieler die Charaktere durch (maximal) drei Standpunkte navigiert, erscheint die dazugehörige Story als Textfenster und wird von einer Erzählerstimme vorgelesen. Man fühlt sich also kurzzeitig in eine Art Hörbuch versetzt, was den Spielfluss aber in keinster Weise hemmt und mir persönlich sehr gut gefallen hat.
Wo wir schon beim Zuhören sind: Wahnsinnig gut sind auch die Dialoge im Spiel. Sie sind nicht nur toll gesprochen, sondern auch wunderbar verständlich. Die irischen, schottischen und britischen Akzente der Personen sind deutlich, aber nicht so streng, dass das Englisch schwierig zu verstehen wäre. Lediglich der Sprachfluss zwischen abwechselnd redenden Personen könnte etwas geschmeidiger sein – so wartet man doch das ein oder andere Mal, dass zum Beispiel eine Bewegung erst vollendet wird, bevor der Charakter seinen Satz oder die Sinnphrase weiterführt. Das ist etwas unnatürlich und kann teilweise schon ganz schön nerven, dennoch ist das nur ein kleiner Kritikpunkt an diesem sonst ganz fantastisch umgesetzten Spiel.
Ein kleines Meisterwerk
Auch wenn das Spiel zu Beginn ein wenig verwirrend ist, weil man doch sehr abrupt in die Story geworfen wird (vor allem als Nicht-Kenner des Buches), ist „Die Säulen der Erde“ wahrlich ein kleines Meisterwerk für mich. Ich bin schlichtweg begeistert, wie wunderschön das Spiel aussieht, wie viel Liebe ins Detail gesteckt wurde und wie sehr das Adventuregame es schafft, mich allein durch grandioses Storytelling in seinen Bann zu ziehen und die Möglichkeit, durch meine Entscheidungen, die Geschichte mit zu formen. Es macht unglaublich viel Spaß den Charakteren beim Reden zuzuhören, auch wenn es ab und an ein bisschen länger dauert. Der spielbare Roman funktioniert für mich als Format ganz fantastisch und ich kann es gar nicht abwarten, endlich in „Die Säulen der Erde“ Buch 2 weitermachen zu dürfen. Auf der gamescom 2017 durfte ich schon einige Szenen anspielen – ich sage nur soviel: Liebe, Verrat, Mord und Totschlag treffen aufeinander! Seid gespannt – ich bin es auch.







Die Säulen der Erde gibt es für PC, Mac, Linux, PlayStation 4 und Xbox One.
Headerbild-Quelle: Daedalic Entertainment