Man kann über das Jahr 2016 sagen was man will – aber für Videospiele war es echt der Hit. Wir wagten den Einstieg in die Virtual Reality, hatten einige ganz besondere Indie-Perlen zu feiern, sahen dabei zu wie die E3 sich selbst abzuschaffen drohte und wie die großen Konsolenhersteller langsam hinter das System mit den Rabatten auf digitale Güter kamen. Dazu so ziemlich jeden Monat ein Major-Release – gerade zum Ende des Jahres eine Ballung an Spitzentiteln, für die man fast gar keine Zeit finden konnte. Ich habe in diesem Jahr circa 50 verschiedene, neu erschienene Spiele gespielt und musste mich aus dieser Liste auf meine 10 liebsten festlegen. Das Ergebnis lest ihr in den folgenden Zeilen.
Platz 10: Inside
Inside war das Spiel für das ich mir Kons Xbox One auslieh. Es waren nicht die anderen Exklusivtitel, es war kein Halo, kein Gears Of War, kein Forza und auch nicht der zeitexklusive Tomb Raider Release der mich hinter Sonys Ofen hervorlockte sondern das kleine, feine Inside von Limbo-Entwickler Playdead. Durch einen harmlosen „Guckt euch das mal an, ich check das nicht“-Tweet angefixt, guckte ich etwas tiefer in Inside hinein und verlor mich in dem nur 4 Stunden langen Spiel so tief, dass ich Tage lang noch nicht so richtig darauf klar kam was ich da gesehen hatte. Wissen tu ich das bis heute nicht, aber der Schreck ist überwunden und was bleibt ist eine Begeisterung für ein Spiel das mich so nachdenklich zurück ließ, wie lange kein Spiel es vorher tat.
Platz 9: Mafia 3
In der Zeit der Entwicklung und Promotion zu Mafia 3 fühlte ich mich erstmalig als dauernder Zaungast. Zur Ankündigung auf der gamescom 2015 war ich vor Ort, ließ mir von den Entwicklern ihre ersten Schritte zeigen und war schon da von der Welt, die sie versuchten zu kreieren begeistert. Die Begeisterung bekam ich auch 2016 auf der Messe erneut zu spüren – zwar für ein Spiel, das nicht mehr so war wie 2015, aber dem man ansehen konnte, dass viele ambitionierte Wege gegangen worden waren um bei der neuen Route zu landen. Mafia 3 begeisterte mich mit einer Spielwelt, die einen so gut und spürbar in die Rolle des Hauptcharakters Lincoln Clay versetzt, wie es selten Spiele tun und konnte sich mit dieser dichten Atmosphäre auch über technische Mängel hinwegsetzen.
Platz 8: Firewatch
In meinem Leben als Bruce Wayne, nicht als Batman, bin ich Art Director in einer Designagentur. In diesem Berufsstand gibt es nur wenige Rockstars. Da wären David Carson, Stefan Sagmeister, Otl Aicher, Shepard Fairey und viele andere Namen von denen ihr, liebe Leser, vermutlich noch nie etwas gehört habt. So ist das mit Designern. Man kennt im Zweifel ihr Werk, aber selten die Person dahinter. Ein Rockstar dieser Branche ist auch Olly Moss. Den kennen die meisten durch seine Star Wars Poster, oder den neuen Buchcovern der Harry Potter-Bücher. Im Bereich der Videospiele war dieser Typ auch schon öfter tätig. Es gab da ein Poster zu The Last Of Us, oder das Artwork zu Resistance 3, doch mit Firewatch ist alles ganz anders. Hier gibt Olly Moss einer ganzen Welt seinen unverkennbaren Look. Und das Entwicklerstudio Campo Santo dieser bezaubernden Welt eine noch schönere, tragischere und mitreißendere Story. Firewatch ist ein Spiel für jeden Menschen auf der Welt. Weil es so simpel eine Geschichte erzählt, aus der jeder sich etwas für das eigene Gemüt raussuchen kann, diese Geschichte mit tollem Gameplay unterfüttert und ein audiovisuelles Meisterwerk ist. Punkt.
Platz 7: Dishonored 2
Dishonored hat mich schon mit dem ersten Teil in seinen Bann gezogen. Die Faszination die von dem Stil, der Dynamik und dem Feeling dieser Spielereihe ausgeht, ist für mich nur schwer zu greifen. Es waren nicht die spielerischen Elemente die mich an Dishonored reizten, sondern das Spielgefühl. Alles wirkt so perfekt abgestimmt, die Bewegungsabläufe in ihrer markanten Steifheit so dynamisch. Ihr merkt schon an meiner Verwendung entgegengesetzter Eigenschaften, dass ich euch nicht wirklich sagen kann warum Dishonored 2 auf Platz 7 meiner Liste ist. Ich habe dieses Spiel geliebt, obwohl es mir nicht so viel Spaß gemacht hat, wie ich gehofft hätte. Aber alleine das Menü durchzuklicken ist ein Erlebnis, das einem einen so tiefen Einblick in die Liebe zum Detail gibt, die in die Erstellung dieses Spiels geflossen sind, dass ich es vermutlich nicht mal hätte spielen müssen um ihm auf dieser Liste einen Platz einzuräumen. Hach hach hach.
Platz 6: Titanfall 2
Titanfall 2 ist der beste Multiplayer-Shooter des Jahres. Das hat Stiftung Pixelburg ergeben. Kein anderes Spiel schafft es, die Schnelligkeit und Präzision von Shootern aus den 90er Jahren so gut in die Jetzt-Zeit zu transportieren, wie die Future-Soldier-Reihe von EA und Entwickler Respawn Entertainment. In Teil 2 der Serie kommt außerdem erstmalig eine Single-Player-Kampagne mit dazu, die einem ein gutes Verständnis für die äußeren Umstände der Welt um einen herum, der Machtverhältnisse im Universum, der Ränge innerhalb der eigenen Streitkräfte und der Beziehung zwischen Pilot und Titan gibt. Vergesst Call Of Duty. Hier liegt die Zukunft von Jetpack-Geballer.
Platz 5: Doom
Wie zum Teufel konnte das denn passieren? Doom auf einer Top-Liste? Ist schon wieder 1993 – ich meine „What the hell?“
Dieses Spiel hat sich angeschlichen, sich mit der Multiplayer-Demo erst von seiner schlechtesten Seite gezeigt und mich dann eiskalt erwischt. 2016 war ein gutes Jahr um neben der ewig in den Hochöfen des Videogame Journalism schwelenden Debatte über „Videospiele als Kulturgut“ mal wieder ein Verständis dafür zu erlangen, wo das Ganze eigentlich mal herkam. Videospiele sind dumm. Und das macht sie so toll. Und Videospiele nehmen sich nicht so ernst. Und auch das macht sie so toll. Und die 2016er Variation von Doom ist diese Erkenntnis, gegossen in Blut und Lava. Ihr wollt dem Alltag entfliehen und der absurd-coolste Actionheld des Universums sein? Ihr wollt Ärsche treten, wie noch nie zuvor Ärsche getreten wurden? Ihr wollt, dass Duke Nukem sich aus Angst in seine blumenbestickte Freizeit-Latzhose pisst? Dann spielt Doom.
Platz 4: Uncharted 4: A Thief’s End
Ich war mit Uncharted 3 eigentlich zufrieden. Die Reihe hatte für mich ein Ende gefunden, mit dem ich mich angefreundet hatte. Und mit der Ankündigung von Uncharted 4 wusste ich zwar, dass ich es spielen würde, war mir aber unsicher, ob es noch die gleiche Faszination auf mich auswirken könnte. Und dann sickerte nach vielen Screenshots und Trailern langsam das Bewusstsein durch, dass es sich nicht um Promo-Material oder „In-Engine-gerenderte“ Szenen, sondern um tatsächliche Spielgrafik handelte. Ich hob vor zwei Jahren Call Of Duty: Advanced Warefare in meine GOTY-Liste, weil mich die Gesichtsanimation von Kevin Spacey damals so vom Hocker gehauen hatte. Uncharted 4 ist das bestaussehendste Spiel, das ich jemals gesehen habe. Und spielerisch ist es eine Offenbarung. Das finale Action-Adventure, mit so viel Witz, Charme, Action und diesmal so wenig frustigen Schiffsfriedhöfen. Und ein Kick-Off für das Remake von Crash Bandicoot obendrein. Brilliant.
Platz 3: The Witness
Ich erinnere mich an das Spielen von Point-And-Click-Adventures gemeinsam mit meiner Mutter. Das waren prägende Erlebnisse in der Opera Fatal und damals war es, anders als heute, zwingend notwendig sich Notizen zu Spielen und ihren Lösungswegen zu machen, wollte man weiter kommen. Kein „Walkthrough Level 15“ bei Google, sondern das Pauken von Musiktheorie zur Bezwingung der nächsten Aufgabe standen auf dem Plan. Eine Spielerfahrung auf die ich 20 Jahre warten musste, um sie wiederholen zu können. The Witness machte aus mir einen Wahnsinnigen. Einen Wahnsinnigen, der mit einem Stift jede erdenkliche Fläche in der Wohnung mit Skizzen und vermeindlichen Lösungswegen bekritzelte. Der gemeinsam mit anderen vorm Bildschirm saß um endlich Fortschritte zu machen und der sich wie ewig zuvor nicht mehr freute, wenn ihm eine Lösung gelang. The Witness hat einen Way Of Play in mir geweckt, den ich in den letzten zwei Dekaden schmerzlich vermisst habe und gleichzeitig so großartige Erinnerungen in mir hervorgeholt, die ich froh bin, nicht vergessen zu haben.
Platz 2: Hitman
Schon allein der Umstand wie es um mich und Hitman geschah, ist die schönste Metapher für das Spiel an sich. Ich erwartete nichts. Ich hatte es nicht kommen sehen und plötzlich war es da. Wie eine Klaviersaite am Hals. Zuvor war ich weder Fan der Reihe, noch von der Veröffentlichungsform der episodialen Titel. Der Generation Binge-Watching ein Spiel einer so hoch dotierten Marke, wider den Erwartungen nicht als Ganzes, sondern in Häppchen zu servieren wirkte im Voraus wie der größte denkbare Fehler – und war genau das Gegenteil. Ich hätte dieses Spiel nie nie nie durchgespielt, wäre es zusammenhängend erschienen. Und das wäre zu schade, denn Hitman begleitete mich das gesamte Jahr und war jedes Mal bei Erscheinen der neuen Episode ein solcher Spaß, dass ich gar nicht wusste wohin mit mir. Nach vielen Spielen, die mich nicht wirklich juckten und zwei Filmumsetzungen, die mehr als bescheiden waren, wollte ich von der Reihe nichts mehr wissen. Und jetzt sitze ich hier, tippe diese Worte und spüre ein Kribbeln in den Fingerspitzen, wenn ich an Staffel 2 dieses Spiels denke. Danke Square Enix, Danke IO Interactive dass ihr etwas so schönes geschaffen habt.
Platz 1: Overwatch
Ich will ehrlich sein: Ein Blizzard-Spiel steigt bei mir schon oft auf einem höheren Podest ein, als andere Titel. Das Urvertrauen dass ich in die Mädels und Jungs aus Irvine habe, ist schon etwas bedrohlich – bisher haben sie mir aber auch noch keinen Grund geliefert, damit sparsamer umzugehen. Ob Blizzard überhaupt in der Lage wäre so etwas wie einen Shooter zu entwickeln, fragten sich die Unken der Spielepresse über Monate hinweg. Mit Overwatch zeigte Blizzard abermals, dass man sie nicht unterschätzen sollte. Denn ein Heroshooter, der völlig unberechtigt, aber auch völlig mühelos einer neuen Marke wie Battleborn so dermaßen den Boden unter den Füßen wegziehen konnte und der sich innerhalb kürzester Zeit nicht nur zum Liebling der Spieler, sondern auch der Kritiker macht, verdient größtes Lob. Wer hätte gedacht, dass Team Fortess 2 noch zu toppen wäre. Overwatch hat mir unzählige Stunden in 2016 versüßt, ohne mir dabei aber den Blick auf alles andere zu versperren, wie es World Of Warcraft gern immer tat.
Ein Spiel das, entgegen dem Stil des Entwicklers, keine unmittelbaren Sucht-Potenziale beherbergt. Ein Spiel, das dir keine großen Anreize bietet wieder zu kommen, weil es das nicht nötig hat. Ein Spiel, das nur wegen seines Gameplays, seiner Charaktere, seines Stils und seines Witzes so viele Menschen in seinen Bann ziehen kann. So ein Spiel wird Game Of The Year. Zumindest für mich.