Das 2014 erschienene Watch Dogs hat nicht unbedingt das, was man einen guten Ruf nennt. Angefangen bei den deutlich niedriger als ursprünglich gezeigt ausfallenden optischen Qualitäten bis hin zum repetitiven Gameplay konnte der Open-World-Hacker-Titel nicht viele Fans für sich gewinnen. Ubisoft glaubt jedoch an die Marke und hat unlängst den Nachfolger Watch Dogs 2 veröffentlicht. Dieser soll durch das von den Spielern erhaltene Feedback alte Fehler ausbügeln und mit neuen frischen Ideen neue Fans für sich gewinnen können. Ich habe die Kampagne angespielt und werde nachfolgend meine Meinung schildern.
Welcome to DeadSec!
Der erste große Unterschied zwischen Teil eins und zwei ist der ausgetauschte Schauplatz und damit verbunden auch ein neuer Protagonist. Von Chicago hat es uns nun in die San Franscisco Bay Area verschlagen und der oftmals als Unsympath betitelte Aiden Pearce musste dem jüngeren, hipperen Marcus Holloway weichen. Dieser will zu Beginn von Watch Dogs 2 Teil der Hacker-Gruppierung DeadSec werden, die Einführung von retr0, wie sich Marcus selbst auch nennt, in die Gruppe fungiert gleichzeitig als erste Mission und Einstieg in den Titel. Unser Ziel für den Aufnahmeritus lautet, uns in das Betriebssystem ctOS einzuhacken. Dieses liegt in Version 2.0 voll und verspricht vollkommene Sicherheit. So viel sei gesagt: Marcus kann das System Lügen strafen und so seinen Einstieg in DeadSec sichern.

Die Boys und Girls von DeadSec sind auch offline Buddies.
Die Truppe besteht aus Sitara, Wrench, Horatio und Josh, allesamt jung und betont cool. Während Marcus sich in der hippen Gemeinschaft direkt heimisch fühlt braucht es für uns als Spieler jedoch um einiges länger, sich mit den Charakteren anzufreunden. Diese sind einfach oftmals zu oberflächlich geschrieben, als das eine wirkliche Identifikation entstehen kann. Eine kleine Ausnahme bildet der schrullige Wrench, der mit seiner LED-Paintballmaske, die anhand von Emojis seinen Gefühlszustand anzeigt, nicht nur äußerlich ein schräger Vogel ist.
Um ihr Ziel zu erreichen benötigen DeadSec vor allem eines: Follower. Denn je mehr Menschen der Organisation folgen, umso mehr Geräte mit installierter DeadSec-App gibt es. Diese stellen damit automatisch mehr oder weniger freiwillig die Rechenkraft ihres Geräts für die Hacker zur Verfügung. Also lautet das Ziel hinter jeder Aktion möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren um so mehr Follower zu generieren.
Hack the City
Spieler des ersten Teils werden sich direkt zu Hause fühlen. Marcus bieten sich ähnliche Möglichkeiten mit der Umgebung zu interagieren wie seinerzeit Aiden. Wir können die Kontrolle über Überwachungskameras übernehmen um Missionsgebiete auszuspähen, Gullis können in Verfolgungsjagden explodiert werden lassen oder wir inspizieren die Telefone der vorbei laufenden Passanten und lesen uns in ihre privatesten Details ein.
Die Hauptmissionen erfordern in den meisten Fällen, dass wir uns Zugang zu einem physischen Server verschaffen, um die sensiblen Daten zu entwenden, die DeadSec benötigt, um das System zu Fall zu bringen. Hier bieten sich jeweils verschiedene Vorgehensweisen an, um ans Ziel zu kommen. Die einfachste, obgleich auch plumpeste besteht darin, sich roher Waffengewalt zu bedienen. Über den 3D-Drucker der Hackertruppe lassen sich diverse Schießprügel anfertigen, mit denen wir in beste Rambo-Manier in die Missionsgebiete einfallen und alles in Grund und Boden ballern können, bis wir schließlich die Server erreichen. Viel cooler und auch weitaus spaßiger ist es jedoch, mit den diversen Hacking-Skills zu arbeiten.

In einer speziellen Hack-Ansicht offenbaren sich wichtige Punkte.
Ein rudimentäres Beispiel für eine subtilere Vorgehensweise mit Hilfe unseres Smartphones: es gilt, das Film-Auto des Blockbusters Cyber Driver zu stehlen. Dieses befindet sich jedoch in einem Container, der strikt bewacht wird. Durch die auf dem Gelände installierten Überwachungskameras verschaffen wir uns zunächst einen Überblick und finden einen glücklich geparkten LKW, über dessen Auflage wir auf das Dach eines nahe gelegenen Wachhäuschens klettern können. Von dort aus senden wir eine gefälschte Nachricht an das Telefon einer Wache, die daraufhin eilig ihren Posten verlässt. Die zweite, direkt vor dem Auto platzierte Wache können wir über unseren Jumper, einen kleinen Roboter auf zwei Rädern, einfach ablenken und weglocken, so dass wir freien Zugriff auf das Gefährt haben. In der darauf folgenden, unausweichlichen Flucht in unserem gestohlenen Vehikel sorgen wir durch vertauschte Ampelschaltungen für ein unheilbares Verkehrschaos, in dem unsere Verfolger ohne Chance stecken bleiben.
If your’re going to San Francisco
Watch Dogs 2 spielt in einer etwas alternativen Version von San Francisco, die sich aber weitestgehend an ihrem realen Vorbild orientiert. Es sind viele Details des Originals zu erkennen und Ubisoft hat sich merklich Mühe gegeben, die Straßen belebt wirken zu lassen. Speziell im Zusammenhang mit dem Feature, jede Person in der Stadt zu hacken und sich auf deren Smartphones intime Details aus ihrem Leben anzeigen zu lassen, ergeben sich einige interessante Situationen. Mein bisher unterhaltsamstes Erlebnis war ein schmusendes Pärchen, das offenbar frisch verliebt war. Doch als ich das Handy des Mannes näher inspizierte sah ich, dass seine letzte Suchanfrage nach der Vertuschung von Seitensprüngen war.

Details wie diese jugendliche Partytruppe lassen das virtuelle San Francisco sehr lebendig wirken.
Solch kleine Erlebnisse sowie die authentisch umgesetzte Stadt sorgen stets dafür, dass sich die Welt von Watch Dogs 2 organisch anfühlt und auf einen kleinen Spaziergang einlädt. Auch die kleinen Nebenmissionen die uns der Titel bietet verleiten dazu, die Stadt näher kennen zu lernen. So können wir für mehr Follower Selfies vor Sehenswürdigkeiten machen, selbst Graffitis an Wänden anbringen oder uns als freiberuflicher Taxifahrer verdienen. So wird der stressige Hacker-Alltag etwas aufgelockert und wir können auch abseits der Hauptstory einiges erleben.
Technisch reißt Watch Dogs 2 keine Bäume aus. Zwar sind San Francisco, die Spielermodelle sowie die Animationen nett anzusehen, einen optischen „Wow“-Moment erreicht der Titel jedoch zu keiner Zeit. Jedoch läuft das Spiel stets flüssig und der Soundtrack, der sich auf diverse Radiostationen verschiedenster Genres verteilt kann sich durchaus hören lassen. Auch die Synchronisation der Charaktere ist durchaus gelungen – sofern man über den überkrass-abgestylten Jugendslang hinweg sehen oder ihm sogar etwas abgewinnen kann.
Fazit
Watch Dogs 2 macht sehr viel mehr richtig als der Vorgänger und bietet eine Menge Spielspaß und Abwechslung. Die Gameplay-Mechaniken wurden sinnvoll weiterentwickelt und das Austauschen des Hauptcharakters war definitiv ein riesiger Gewinn. Sicherlich mag die Coolness-Kanone Marcus nicht jedem schmecken und in seinen Grundzügen schon an Delsin Rowe, seines Zeichens Protagonist von inFAMOUS: Second Son, erinnern. Sobald dieser Punkt überwunden ist erwartet uns jedoch ein gutes Open-World-Spiel, das mit einer lebendigen Welt sowie einer Menge Abwechslung aufwarten kann und die Möglichkeiten, die das Setting bietet, zumindest im Ansatz ausnutzt. Die zweite Chance, die Ubisoft der Marke Watch Dogs gegeben hat wurde definitiv nicht verschwendet.