Es ist immer das gleiche mit dem Proletariat. Sobald etwas im Land nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen, wird direkt der König zur Rechenschaft gezogen. Oftmals fallen Forderungen nach einer neuen Regierung, einem Mann des Volkes an der Spitze. Auch unsere geliebte Pixelburg wurde bereits versucht zu stürmen, doch bisher konnten wir standhalten. Als ob einer dieser Bauern befähigt wäre, ein Land oder gar nur eine Stadt zu regieren!
Zugegeben, die anfänglichen Worte mögen etwas drastisch klingen, aber seien wir mal ehrlich: jeder dachte bereits daran, dass er sich als König/Königin viel besser machen würde, als die aktuellen Herrscher. In dem Sidescrolling-Strategie-Titel Kingdom aus dem Hause Noio und Licorice wird uns nun genau das ermöglicht. Wir schlüpfen in die pixelige Haut eines weiblichen oder männlichen (per Zufall entschieden) Kronenträgers und müssen aus dem Nichts eine florierende Stadt aufbauen.
Die Gründung erfolgt so simpel wie es nur sein könnte: wir reiten durch die Dunkelheit, bis wir ein ausgebranntes Lagerfeuer finden, das wir wieder entzünden können. Dieses markiert den Kern unserer neu erbauten Stadt. Sofort stehen uns zwei Händler zur Seite, die uns mit Hämmern, beziehungsweise Bögen ausstatten wollen. Natürlich nur gegen Bares. Dieses können wir entweder an bestimmten Punkten im Spiel oder aber in einer Kiste finden, die nach jeder überstandenen Nacht in der Stadtmitte auftaucht.
Natürlich reicht Werkzeug allein nicht aus, wir brauchen auch treue Gefolgsleute, die sie bedienen! Überall in der Spielwelt verteilt finden sich potentielle Untertanen, denen wir lediglich eine kleine Münze hinwerfen müssen, damit sie sich unserem Königreich anschließen. Je nachdem, welches der oben genannten Objekte sich gerade in unserem Lager befindet, ergreifen die Vasallen entweder den Job des Bogenschützen oder den des Bauarbeiters. Während die Fernkämpfer entweder Hasen erlegen oder auf einem Wachturm Stellung beziehen, helfen uns die fleißigen Handwerker dabei, das Königreich durch diverse Bauwerke zu vergrößern. Die meisten dienen hier jedoch der Verteidigung.
Jedoch will jede Aktion bezahlt werden. Unsere Vasallen generieren beispielsweise durch die Jagd Geld, wir können vereinzelte Schatztruhen finden oder auf den Lohn im Morgengrauen warten. Doch das Geld ist stets knapp, jeder Bau und jede Rekrutierung will wohl überlegt sein. Sollen wir die drei Münzen lieber in einen Hammer oder eine stärkere Mauer setzen? Ist ein Upgrade unseres Stadtkerns oder aber eine befestigte Brücke wichtiger? Wer seine Ressourcen nicht im Griff hat, wird keine drei Nächte überleben.
Bei all dem mysteriösen Gerede um die dunkle Tageszeit wollen wir nun endlich auch darauf eingehen, was es mit ihr auf sich hat. Ein jeder Tag besteht aus zwei Zyklen. Während sich Kingdom tagsüber wie ein entspanntes Aufbaustrategie-Spiel mit einem kleineren Exploration-Anteil spielt, mutiert es nachts zu einer Art Tower Defense. Wie bereits erwähnt, können wir diverse Abwehrgebäude in Auftrag geben. Neben den besetzten Wachtürmen können auch kleinere Fallen oder gar mächtige Mauern aufgestellt werden. Genug Edelmetall vorausgesetzt, versteht sich!
Sobald sich die nächtlichen Monster nähern zeigt sich, ob wir gut gebaut und geplant haben. Diese kennen keine Gnade und sind zäher als sie auf den ersten Blick wirken. Zudem steigt ihre Zahl von Zyklus zu Zyklus rapide an, so dass sie uns ab einem gewissen Punkt auch schlicht überrennen. Hier bereitet einem eines der größten Probleme von Kingdom das meiste Kopfzerbrechen: die quasi nicht existente Künstliche Intelligenz unserer Untertanen.
Egal, aus welcher Richtung wir gerade attackiert werden, unsere Schutzbefohlenen stehen prinzipiell am gänzlich anderen Ende der Stadt. So ist es nicht nur einmal geschehen, dass sie von hinten von den Monstern überrannt wurden, die sich einmal quer durch die Stadt metzelten, obwohl es mit vereinten Kräften ein Leichtes gewesen wäre, sie in die Flucht zu schlagen. Doch auch die Baumeister täten gut daran, sich ein wenig gesunden „Menschenverstand“ anzueignen. Sobald sie einen Befehl erhalten führen sie ihn direkt aus. Und wenn es in der Zwischenzeit Nacht wird, laufen sie mit fröhlicher Mine ihrem sicheren Tod entgegen.
An der Optik von Kingdom dürften sich abermals die Geister scheiden. Der Titel kommt in schmucker Pixelart daher, die in ihrem Stil wunderbar wirkt. Jedoch werden all jene Spieler, die dem Look nichts abgewinnen können, sich den Kauf wohl zweimal überlegen. Dabei sind die Gebiete stets wunderschön designed, sogar Spiegelungen unseres Herrschers im Wasser kann man beobachten. Der Soundtrack ist recht minimalistisch gehalten, unterstützt die Atmosphäre aber gekonnt.
Betrachten wir alle Punkte in ihrer Gesamtheit, bietet Kingdom ein gespaltenes Fazit. Für all jene, deren Herrschaft auf einer experimentellen Basis fußt, auf der ein jeder Herrschaftsstil erst einmal getestet wird und die es gewöhnt sind, von geistigen Dünnbrettbohrern umgeben zu sein, für die dürfte der Titel ein gefundenes Fressen darstellen. Gehört ihr jedoch zur Garde derer, die Stunden und Tage in genaue Planung und punktgenaue Durchführung investieren, solltet ihr vielleicht lieber nach einem Anno oder Prison Architect Ausschau halten. Sofern ihr ein Faible für Roguelikes hegt, solltet ihr Kingdom aber definitiv eine Chance geben. Doch seid gewarnt! Der „Eine Nacht noch„-Faktor setzt deutlich schneller ein, als euch lieb sein wird.
Sofern Interesse besteht, ihr aber noch unsicher seid, könnt ihr eine sehr frühe Version von Kingdom auf der offiziellen Entwicklerhomepage spielen!