Die nordische Mythologie wirkt in vielerlei Hinsicht faszinierend. Sei es wegen der Vielfalt an Göttern, jeder für seine eigenen „Bereich“ zuständig, oder aber die fantastischen Geschichten und Mythen. Die Schriften der Edda faszinieren und bieten eine Menge Stoff, der auch außerhalb der Religion Verwendung findet. So kamen wohl die Entwickler von Thunder Lotus auf die Idee, die altgermanischen Sagen als Vorlage für ihr isometrisches Action-Rollenspiel Jotun zu nehmen. Aber reicht die bloße Wahl des Settings aus, um die Götter gnädig zu stimmen?
Wir schlüpfen in die kampferprobte Haut der nordischen Kriegerin Thora. Diese lernte das Kämpfen von ihrem Vater, der ihr zur Volljährigkeit auch ihre geliebte Axt schenkte. Diese ist auch bitter nötig, denn nachdem die Seefahrerin mit ihrem Schiff kentert und einen unrühmlichen Tod erleidet. Durch die Tatsache, dass sie nicht im Kampf gefallen ist, wird ihr der Einlass in die Hallen von Walhalla verwehrt. Jedoch bieten ihr die Götter die Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, dass sie würdig ist. Dazu muss sie das Jotun-Quintett ausschalten, fünf Riesen, die in den Welten der Wurzeln des Lebensbaumes Yggdrasil ihr Unwesen treiben.
Die grundlegende Spielmechanik von Jotun ist betont simpel gehalten. Wir können einen leichten und einen schweren Hieb mit unserer Axt vollführen, sowie uns mit einer Ausweichrolle aus brenzligen Situationen befreien. Später kommen noch verschiedene magische Fähigkeiten dazu, die uns von den Göttern selbst verliehen werden. Durch diese können wir uns beispielsweise selbst heilen oder Odins Speer auf Feinde schleudern.
Jedoch gibt es keinen Mana-Balken oder ähnliches, wir können unsere Fähigkeiten nur begrenz oft einsetzen, bevor wir Mimir aufsuchen müssen. Der Hüter der Quelle unter dem Weltenbaum fungiert nämlich nicht nur als Speicherpunkt, durch seine Gunst regenerieren wir zudem unsere Lebensenergie und laden unsere Kräfte auf.
Die ersten Schritte, die wir in Jotun unternehmen, stellt sich allerdings die Frage, wogegen wir uns überhaupt wehren sollten. Gegner sind Mangelware, viel mehr gilt es, die wunderschöne und idyllische Spielwelt zu erkunden. Kleinere Feinde tauchen nur sporadische in Form von stacheligen Tentakeln oder Zwergenschmieden auf. Den Fokus legt Jotun ganz klar auf die Kämpfe gegen die fünf Jötunn. So wandern wir durch die fünf Welten, in denen insgesamt neun Level versteckt sind und sammeln Runen, um die Tore zu öffnen, hinter denen sich die Riesen verstecken.
Sobald wir uns in einen Bosskampf begeben gilt es, sein Bewegungsmuster genau zu beobachten, um den richtigen Moment abzupassen, um zuzuschlagen. So ergeben sich angenehm dynamische Kämpfe, in denen allerdings jeder Fehler aufs Schärfste bestraft wird. Weiter benötigen wir gleichermaßen Glück und eine gute Reaktionsfähigkeit, um die Scharmützel unbeschadet zu überstehen. Hier zeigen sich gewissen Parallelen zu Titan Souls, oder aber auch Dark Souls. Leider auch im Faktor Frust, dieser kann durchaus in unangenehme Höhen schnellen, wenn wir auf den letzten Meter doch noch von einem Blitz getroffen oder einem Unterstützungszwerg erschlagen werden.
Technisch steht Jotun auf jeden Fall mehr als gut da. Zumindest, wenn handgezeichnete Grafiken geschätzt werden, bei denen in jeder Animation und jedem Design gesehen werden kann, wie viel Liebe in sie gesteckt wurde. Die Feinde weisen alle über viele kleine Details auf, die sie in ihrem Dasein glaubhaft und bedrohlich wirken lassen, während die Spielwelt in ihrem Aussehen gleichermaßen eine gewisse Ruhe ausstrahlt sowie uns jederzeit spüren lässt, dass wir in Gefahr sind. Der atmosphärische Soundtrack unterstützt die Stimmung perfekt und dass die Sprachausgabe ausschließlich auf skandinavisch gehalten ist treibt die Authentizität in die Höhe.
Abschließend bleibt zu sagen, dass Jotun ein Geschenk der Götter ist – sofern ihr schwere Spiele abkönnt und nichts dagegen habt, längere Zeit in einem Zustand der entspannten Meditation durch wunderschöne Gebiete zu laufen. Eine gewisse Frustresistenz ist nötig, dafür werdet ihr aber mit einem wunderschön gemachten Spiel belohnt, das in gleichen Maßen wert auf rundes Gameplay und eine authentische Spielwelt legt.
Jotun ist seit dem 29. September 2015 für den PC auf Steam erhältlich.