Schnell, brutal und gutaussehend – Hotline Miami 2

Zu Hotline Miami kann so einiges gesagt werden. Im letzten Quartal 2012 erschienen, von mir jedoch erst 2014 entdeckt zog es mich direkt in seinen Bann. Die Kombination aus unglaublich schnellem, brutalem Gameplay sowie der hypnotischen Musik und der grandiosen Optik hatte mich sofort gefesselt und das obwohl ich nicht unbedingt als frustresistent gelte. Trotz oder gerade wegen diesem Umstand spornte mich das Spiel mit jedem Tod nur noch weiter an. Es hatte schon fast eine kathartische Wirkung auf mich. Umso größer war der Hype also, als Teil 2 für 2015 angekündigt wurde. Nach dem Release und einigen Stunden voll Wut, Frust und Freude fühle ich mich nun im Stande, eine einigermaßen objektive Meinung abzugeben.

Hotline Miami 2 hört auf den klangvollen Namen Wrong Number. Eine Anspielung auf die Telefonanrufe, die den Spieler immer zu verschiedenen Orten rufen, um dort dem ultrabrutalen Tagesgeschäft nachzugehen. Auf die Story gehe ich hier bewusst nicht ein, da diese zum einen zu verworren ist und zum anderen selbst erlebt werden sollte. Es kann aber so viel verraten werden, dass die berühmten Anrufe nicht mehr eine so große Gewichtung haben, das langsame Abdriften in den Wahnsinn sowie die Problematik, zwischen Wahrheit und Fantasie zu unterscheiden dafür aber umso mehr.

Aller Anfang ist schockierend

Zu Beginn erwartet uns ein kleines Tutorial, das die Steuerung erklärt. Wer bereits Teil 1 gespielt hat, beherrscht diese schon, geändert hat sich nichts. Solange nicht die Fähigkeiten der einzelnen Charaktere zum Tragen kommen, auf die ich später separat eingehen werden.

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Knöcheltief im Blut stehende Charaktere stellen kein Problem da. Eine Poritze schon.

In dem Tutorial schlüpfen wir in die Rolle eines, gelinde gesagt, nicht besonders ansehnlichen Mannes, der sich in bester Tradition der Reihe durch Räume von Gegner kämpft. Dabei spritzt das Pixelblut wie gehabt in alle Himmelsrichtungen. Am Ende treffen wir auf eine Frau, die kurz davor steht, das Bewusstsein zu verlieren. Unser Charakter dreht sie auf den Bauch und lässt angedeutet die Hose herunter. Bevor aber Gröberes passieren kann ruft jemand „Cut!“ und es stellt sich heraus, dass wir lediglich eine Szene für einen Film gespielt haben. Somit sind wir auf den Rest des Titels eingestellt und wissen, welcher Spielausschnitt dafür sorgte, dass dem Titel in Australien die Einstufung verwehrt werde. Hier mag jeder von halten was er will, ich finde es ehrlich gesagt überzogen. Zumal Hotline Miami 2 zu Beginn fragt, ob wir die Szene sehen wollen oder nicht.

Klassische Schlachtplatte

Das Spielprinzip besteht weiterhin unverändert, wir kämpfen uns in klassischer Vogelperspektive durch Häuser, die zum Bersten mit Gegnern gefüllt sind, die nur darauf warten ihr virtuelles Leben von euch beenden zu lassen. Dabei stehen verschiedene Waffen und Fähigkeiten zur Verfügung. Ob Schuss- oder Schlagwaffen verwendet werden, bleibt komplett uns überlassen. Entweder müssen wir diese direkt im Level aufsammeln, oder aber wir haben einen Charakter, der direkt mit einem Mordgerät startet. Gesteuert wird in klassischer Twin-Stick-Manier, auf dem PC bietet sich die Möglichkeit per Maus und Tastatur zu spielen. Diese bevorzuge ich persönlich, das ist allerdings reine Geschmackssache.

Das Fähigkeits-System hat sich im Vergleich zum Vorgänger verändert. Wir stehen zwar immer noch vor jedem Level vor der Wahl, was wir für einen Vor- oder Nachteil wir haben wollen. Allerdings stehen nicht mehr vor jedem Abschnitt sämtliche Masken zur Verfügung, viel mehr gibt es nun verschiedene Charaktere, die über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen, zwischen denen wir wählen. Das neue System ist Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite bringt es eine größere Dynamik, auf der anderen kommt man sich etwas eingeschränkter vor und kann auch schnell vor der Wahl zwischen Pest und Cholera stehen.

Sterben im Akkord

Oftmals wird Hotline Miami (2) mit Titeln wie Dark Souls verglichen. Dieser Vergleich hinkt aber etwas, das einzige was beide Spiele gemein haben ist die Tatsache, dass sie bockschwer sind. Es wird im Sekundentakt gestorben, ein falscher Schritt und wir hauchen unser virtuelles Leben aus. Jedoch spielt sich Hotline Miami 2, meiner bescheidenen Meinung nach, weitaus dynamischer als besagtes Action-Rollenspiel.

Eine der neuen Charaktere. In bester Actionfilm-Manier kann er zeitgleich nach rechts und links schießen.

Eine der neuen Charaktere. In bester Actionfilm-Manier kann er zeitgleich nach rechts und links schießen.

Die Dynamik fußt auf zwei Umständen, die das gesamte Spiel definieren: der Wiederbelebungsgeschwindigkeit und dem Soundtrack. Ja, wir sterben verdammt oft, stellenweise tatsächlich alle zehn Sekunden. Aber wir sind nach einem Druck auf die Wiederbelebungstaste direkt wieder am Beginn des Abschnitts. Ladezeiten zwischen den Versuchen gibt es nicht. Einen anderen, nicht zu unterschätzenden Grund, warum Hotline Miami 2 so funktioniert wie es ist, stellt der Soundtrack dar. Wie beim ersten Teil treiben uns richtig gute Elektrobeats durch die Level. Diese spornen an, da sie geschwindigkeitsmäßig perfekt zum Gameplay passen und sie brechen bei einem Neustart des Levels nicht ab, sondern laufen so lange gnadenlos durch, bis ihr das Level geschafft habt. Was dauern kann. Und wird.

Wofür das Ganze?

Nun stellt sich die Frage: wofür quälen wir uns gute sieben Stunden durch die Gegnerhorden und trennen Gliedmaßen ab, bringen Köpfe zum platzen und wundern uns über die Story? Hier greift der Vergleich mit Dark Souls doch sehr gut. Es geht um das unbeschreiblich befreiende Gefühl, diesen einen bestimmten Gegner doch zu erwischen, um die Ebene abzuschließen. Wenn wir endlich heraus gefunden haben, woher diese letzte Kugel kam, die uns bereits 20 Leben gekostet hat und dem Kerl, der sie Runde um Runde abgefeuert hat, nun endlich die verdiente Faust gegen den Kopf dreschen, dann ist eine Ausschüttung an Freudenhormonen garantiert, die in dieser Form selten zu finden ist.

Levelende. Abfall der Spannung. Für einige Sekunden.

Levelende. Abfall der Spannung. Für einige Sekunden.

Soweit zumindest aus meiner Sicht. Mit Dark Souls konnte ich nie etwas anfangen, es ging mir zu langsam, ich starb zu schnell und musste zu viel wiederholen. Die oben erwähnte Dynamik von Hotline Miami 2, der Umstand, dass ich das gesamte Level wiederholen muss wenn ich das Spiel jetzt beende, diese Sachen haben mich wieder für Stunden vor den Monitor gefesselt. Wenn ich endlich einen Abschnitt nach weniger als einer Minute abgeschlossen hatte, an dem ich zwei Stunden gehangen bin, kam ich mir als nicht weniger als der König der Welt vor.  Jedem, der eine Herausforderung, sucht, auf gute Pixeloptik und einen überragenden Soundtrack (der jedoch nicht an den von Teil eins ran kommt) steht oder einfach masochistisch veranlagt ist, dem sei Hotline Miami 2 wärmstens empfohlen. Alle anderen können zumindest einen vorsichtigen Blick riskieren.

Als Warnung gleich vorweg: in einem zukünftigen Patch wird ein Leveleditor implementiert. Die dort erstellten Maps können mit der Community geteilt und die Highscores verglichen werden. Bis dahin habe ich mir selber eine Pause verordnet, denn spätestens wenn Kill Bill nachgebaut wird, bin ich wieder in der Spirale aus Pixeln, Blut, Wut und Freude gefangen.

Disclaimer: da ich durchgehend mit Sterben beschäftigt war, stammen die Screenshots von der offiziellen Steam-Seite.