[…] Doch brennen sie von unmäßiger Begierde nach Gold. So wankelmütig sind sie, und ihr Zorn ist so leicht erregbar, daß sie sich oft an ein und demselben Tag ohne jegliche Ursache von ihren Bundesgenossen trennen und sich ebenso schnell wieder versöhnen, ohne daß jemand sie besänftigt.
Dieses kampfkräftige und ungezähmte Menschengeschlecht, das von einer schrecklichen Begierde erfüllt ist, fremdes Gut zu rauben, durchquerte raubend und mordend die Nachbarländer […].Ammianus Marcellinus über die Hunnen (Römische Geschichte, Buch 31)
Seit einer Woche steht Creative Assemblies neuestes Werk bei uns in den Läden. Total War: Attila versteht sich als direkter Nachfolger zu Rome 2, mit Fokus auf den Untergang des römischen Imperiums und der Invasion der Hunnen. Ich habe seit Shogun eigentlich kaum einen Total War Titel ausgelassen. Bei der Ankündigung von Attila habe ich dennoch eher ernüchternd dreingeschaut, da mich das Szenario überhaupt nicht reizte.
Zum Glück hat das Spiel mittlerweile doch den Weg in meine Steam-Bibliothek gefunden, denn muss ich sagen, dass Attila einer der bisher spannendsten Total War Teile ist! Anfangs noch vom Entwickler verneint, hat Creative Assembly die hunnischen Horden nämlich doch als spielbare Fraktion eingefügt und mit allerhand innovativen Mechaniken ausgestattet. Das hat mich neugierig gemacht, sodass ich mich nach der Installation direkt auf die Große Kampagne der Hunnen gestürzt habe.
Aller Anfang ist schwer
Anders als vielleicht angenommen, fangen wir als hunnischer Großkhan nicht mit einer Invasionsstreitmacht an. Vielmehr besitzen wir drei kleinere Horden, die wir erst vergrößern müssen, um die Unterwerfung Europas voranzutreiben. Zu Beginn sind unsere größten Feinde nämlich nicht die Germanen und das römische Reich, sondern lange Winter, Hunger und eine leere Schatzkammer.
Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen besitzen die Hunnen keine eigenen Städte. Wir können fremde Nationen zwar unterwerfen, um sie zu Tributstaaten zu machen, Einfluss auf Verwaltung und Gebäudebau wie in Rome 2 erhält man dadurch jedoch nicht. Eine hunnische Horde – im Spiel quasi das Gegenstück zu einer römischen Armee – kann dafür an so gut wie jedem Ort ihr Lager aufschlagen. Lagernd können wir uns zwar nicht mehr bewegen, dafür aber neue Gebäude in Form von Jurten (nomadische Zelte) bauen und frische Soldaten anwerben. Im Lager entgehen die Truppen außerdem Verlusten durch kalte Winter, in Total War: Attila spielen die Jahreszeiten nämlich eine wichtige Rolle. Dazu später noch mehr.
Als Nomadenvolk sind wir durch die Funktion zu lagern zwar immer mobil und können so theoretisch überall zuschlagen, uns entgehen aber auch wertvolle Vorteile, die eigene Siedlungen und Territorien mit sich bringen. So können die Hunnen natürlich keine Stadthalter einsetzen um Erlasse zu erteilen. Auch die Einrichtung fester Handelsrouten bleibt den sesshaften Fraktionen vorbehalten. Kurzum müssen wir dadurch ständig aufpassen, dass unsere Männer genügend zu Beißen haben und die Schatzkammer durch permanente Raubzüge füllen. Andernfalls drohen Verluste und gefährliche Aufstände.

Zwei unserer Horden haben bereits ihr Lager aufgeschlagen. Die dritte zieht ein letztes Mal plündernd durch die Provinz, bevor der Winter einbricht.
Europa soll brennen!
Doch wo raubt und plündert es sich am besten? Brennen wir ein paar Germanendörfer im Norden nieder oder brechen wir direkt in Richtung Osten auf, um in die Ländereien der Sassaniden einzufallen? Natürlich könnte man auch der großen Völkerwanderung nach Westen folgen, dort würde man aber sehr schnell auf gut ausgebildete römische Legionen treffen.
Wir entscheiden uns für die erste Option und statten den umliegenden „Barbarensiedlungen“ ein paar nicht ganz so freundliche Besuche ab. Dabei rücken wir im Frühling, Sommer oder Herbst in Richtung des Ziels vor und schlagen im Winter unser Lager auf. Denn wie bereits erwähnt spielen Jahreszeiten eine wichtige Rolle in Total War: Attila. Im Winter ist der Norden Europas mit Schnee und Eis bedeckt. Armeen, die während dieser Zeit nicht lagern, riskieren hohe Verluste, es sei denn, sie kommen aus ohnehin kalten Gebieten, wie beispielsweise die Gauten.

Wer eine Siedlung dem Erdboden gleichmacht, darf sich über diese schicke Animation freuen.
Zum Glück dauert eine solche Saison nur jeweils eine Runde auf der Kampagnenkarte. Wer aber zum Beispiel die lange Belagerung einer großen Stadt plant, sollte bedenken, dass er dabei eventuell mehrere Winter überleben muss.
Apropos Belagerung! Wir haben mittlerweile die erste Siedlung erreicht und auf Grund nur geringer Gegenwehr erfolgreich angegriffen. Nun liegt die Entscheidung bei uns, ob wir die Siedlung plündern, oder direkt dem Erdboden gleichmachen. Ersteres füllt unsere Schatzkammer, die Stadt bleibt jedoch in den Händen seines Besitzers. Letzteres hingegen tilgt Gebäude und Bevölkerung von der Landkarte und verwüstet die dazugehörige Provinz. Zwar gehen damit auch die meisten Schätze hopps, dem Gegner wird aber gleichzeitig ein derber Schlag verpasst.
Mein Schatz!
Ermutigt durch den Sieg und vollgepackt mit Gold und Schätzen verlassen unsere Männer die geplünderte Siedlung, als vor den Toren der ehemalige Besitzer mit einer eigenen Armee aufmarschiert. Anscheinend war er nur mal kurz weg und ist nun zurück um sein Hab und Gut wiederzuerlangen. Die Rechnung hat er jedoch ohne unsere Horde gemacht. Es kommt zur Schlacht!
Wie in allen Total War Titeln laufen die Schlachten auch bei Attila in Echtzeit ab. Sofern nicht aus einem Hinterhalt angegriffen, stellen wir zu Beginn eines jeden Gefechts unsere Truppen auf. Außerdem haben wir als Angreifer die Möglichkeit bis zu drei mal auf günstige Wetterbedingungen zu warten. Gut beraten ist dabei jeder, der auf trockenes Wetter wartet. Schnee, Regen oder Nebel beeinflussen nicht nur die Moral der Männer, sondern oft auch Geschwindigkeit und Treffsicherheit.

Auf maximalen Grafikeinstellungen sehen die Echtzeit-Gefechte einfach fantastisch aus. Das zehrt jedoch selbst an der besten Hardware.
Sind wir mit der Aufstellung unserer Truppen zufrieden startet die Schlacht. Nun können wir unseren Truppen in Echtzeit Befehle erteilen. Sollte die Hektik im Getümmel doch einmal Überhand nehmen, kann das Spiel aber auch jederzeit pausiert werden, um in Ruhe neue Anweisungen zu geben.
Auch in Total War: Attila verfügen verschiedene Einheiten über bestimmte Spezialfähigkeiten. So kann jeder General seine Truppen ermutigen oder die des Gegners mit Angst erfüllen. Bogenschützen und Belagerungswaffen besitzen außerdem unterschiedliche Munitionsarten. Die Kavallerie kann Keilformationen einnehmen oder leichte Truppen einfach niedertrampeln. In Verbindung mit den zahlreichen Truppentypen entsteht so der für Total War typische strategische Tiefgang.
Verwüsten & Verwalten
Nachdem wir mehrere erfolgreiche Schlachten geschlagen haben, steigt einer unserer Generäle im Rang auf. Als Belohnung erhält er zwei Fähigkeitspunkte, die wir über einen detaillierten Talentbaum verteilen können. So spezialisieren wir unsere Heerführer beispielsweise auf das Kommandieren von Reiterei oder Fernkämpfern, oder verpassen ihnen besonders hohe Erträge beim plündern. Wir können sogar darüber entscheiden, wie seine Gefolgschaft aussieht und was für Kleidung er trägt. Jede Auswahl ist dabei mit verschiedenen Vor- oder Nachteilen verbunden.
Im Gegensatz zum Vorgänger Rome 2 macht Attila bei der Verwaltung der Armeen und des Reichs vieles um Welten besser. Vorbei sind die Zeiten von schmucklosen und unübersichtlichen Menüs. Creative Assembly hat auf die Fans gehört und die Menüführung in Total War: Attila komplett überarbeitet.
Ein gutes Beispiel dafür ist der hunnische Familienstammbaum. Hier sehen wir auf einen Blick sämtliche Familienmitglieder und Adelige unserer Horden sowie ihre derzeit bekleideten Ämter. Denn auch die Hunnen haben zumindest innenpolitisch so einiges auf dem Kasten! Über die Zeit und durch militärische Erfolge sammeln alle Angehörige nämlich Einflusspunkte, die dann für bestimmte Aktionen ausgegeben werden können. Das ganze fängt bei der Scheidung vom Ehepartner an und hört beim ausgeklügelten Attentat auf. Besonders erfolgreichen Mitgliedern können wir außerdem bestimmte Ämter zukommen lassen, was wiederum für Vorteile sorgt. Unseren siegreichen General machen wir so kurzerhand zum „Schrecklichen Reiter“ und verpassen ihm damit einen Bonus auf Kavallerieerfahrung und Rekrutierungskosten.

Der Stammbaum zeigt die mächtigsten Männer und Frauen unserer Horden. Hier können wir uns innenpolitisch austoben und sogar Attentate planen.
Ein Total War mit Geschichte
Zu guter Letzt möchte ich noch kurz auf die Geschichte in Total War: Attila eingehen. Bevor mir jetzt jedoch die Historiker unter Euch in die Seite grätschen muss ich sagen: Die Ereignisse und die Welt des Spiels sind selbstverständlich nicht hundertprozentig historisch korrekt dargestellt – macht aber nichts, denn das müssen sie auch garnicht.
Worauf ich hinaus will ist, dass Creative Assembly mit seinem neuesten Werk endlich wieder ein Total War veröffentlicht hat, indem die Hintergrundgeschichte interessant dargestellt ist. In Rome 2 beispielsweise habe ich mich durch die Runden geklickt, ohne zu wissen, was genau eigentlich gerade auf der Welt passiert. Attila hingegen serviert mir regelmäßig Ereignisse, entweder als Statusnachricht oder kleine Zwischensequenz. So wird unter anderem der Konflikt zwischen Ost- und Westgoten näher beleuchtet oder die Geburt der Geißel Gottes in einem Video angekündigt. Das fördert nicht nur die Immersion, sondern sorgt gleichzeitig dafür, dass ich mich besser mit meiner Fraktion identifizieren kann.
Fazit
Total War: Attila ist für mich schon nach relativ kurzer Spielzeit zu einem wirklichen Überraschungshit geworden. Die vielen kleinen und großen Verbesserungen gegenüber den Vorgängern machen es zu einem wirklich runden und unglaublich unterhaltsamen Serienteil.
Natürlich fragen sich jetzt viele Fans: Warum nicht gleich so? Warum lief nicht schon Rome 2 so rund? Die Frage stelle ich mir auch, aber beim hunnischen Gott Tengri, die Antwort liegt mir fern. Ich bin nur froh, dass Creative Assembly einen großen Schritt nach vorn in Sachen Qualität gemacht hat und hoffe, dass zukünftige Ableger davon profitieren.
Ein paar letzte Worte zur DLC-Politik: Wie schon bei den Vorgängern werden weitere spielbare Fraktionen als Zusatzinhalte zu teilweise wirklich gesalzenen Preisen verkauft. Es wäre außerdem nicht verwunderlich, wenn in Zukunft DLCs erscheinen, die neue Einheiten implementieren oder Gefechte um Blut- und Splattereffekte erweitern. So kennen wir es zumindest von Rome 2.
Das erzeugt natürlich immer einen üblen Nachgeschmack! Ohne jetzt hier aber die große DLC-Diskussion loszutreten, möchte ich Euch versichern, dass Total War Fans auch ohne den Kauf jeglicher Zusatzinhalte mit Attila lange ihren Spaß haben werden. Die im Hauptspiel enthaltenen Startfraktionen unterhalten zumindest mich locker für mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate.
Jetzt hoffe ich, dass Ihr wie immer Spaß beim Lesen hattet. Wenn Ihr Fragen oder Anregungen zum Spiel oder zum Artikel habt, lasst mir einfach einen Kommentar da! Viel Erfolg auf Euren Feldzügen!