#3.2 Im DeLorean: Therapiestunden in Tristram

#3.2 Im DeLorean: Therapiestunden in Tristram

Hergehört Darkslayer97,

Level 70 Wirbelwind Barb. Die Zeiten des ahnungslosen Herumpropellerns sind vorbei. An diesem Tag gibt es eine Packung Bildung auf die Augen, die sich gewaschen hat. Oder besser – nicht gewaschen hat! Heute präsentiere ich dir schmutzigste Gamingkost aus dem entfernten Zeitalter des letzten Jahrtausends in dem Ebola noch BSE hieß, Benzin 70 Cent kostete und die Deutsche Bahn keinen Anlass brauchte nicht zu kommen. Nachdem ich im ersten Part mein menschenmöglichstes getan habe dich auf die Welt von Diablo einzustimmen, werde ich dir jetzt alles wieder kaputtmachen. Wenn dich also interessiert warum ich nur begrenzt empfehle diesen Titel aus seinem staubigen Grab zu befreien, warum Diablo 3 trotzdem von seinem Großvater lernen kann und was Deckard Cain so unter seiner Robe trägt, dann bleib dran und lass dich von den folgenden Zeilen beglücken.

In Diablo 1 begegnen euch als Kenner der neueren Teile einige bekannte Gesichter. Hier König Leoric bevor er ein Häufchen Knochenmehl wurde.

In Diablo 1 begegnen euch als Kenner der neueren Teile einige bekannte Gesichter. Hier König Leoric quick lebendig und auf Krawall gebürstet. Hauptsache das Krönchen sitzt.

Bier und Stockbrot am nostalgischen Fegefeuer

Es war eine kalte, eisige Silversternacht 1996 als der kleine Diablo das erste mal das Licht der Welt erblickte. Erbarmungslose Einsamkeit war sein Schicksal…zu Größerem sollte er bestimmt sein. Eine ganze Generation lichtscheuer Kellerasseln sollte er über Jahrzehnte begleiten, sie unterhalten und schlussendlich mit ihnen Geschichte schreiben. Doch wie jede Legende beginnt auch die von Diablo völlig unverhofft. In den 90er Jahren spross die Gamingwelt, kaum eine Zeit kann wohl besser als größter Umbruch der Spielelandschaft bezeichnet werden. Mit Konsolen wie dem Super Nintendo oder der Playstation 1 legten Sony und Nintendo den Grundstein eines Trends, dessen Ende noch heute, 20 Jahre später, kaum in Sicht ist. Videospiele wurden salonfähig, kaum jemand der heute in seinen 20ern oder 30ern steht kann behaupten völlig berührunslos an ihnen vorbeigekommen zu sein. Kinofilme mit Millionenbudget werden auf Basis von Computerspielen auf die Beine gestellt, Schauspiellegenden benennen ihre Kinder nach ihren digitalen Helden (R.I.P. Mr. Williams) und wenn ein Kevin Spacey nach getaner Arbeit im Weißen Haus seine Playstation an wirft, ist das schon lange keine nerdige Randerscheinung mehr.

Doch von all dem wusste ein Diablo nichts. Er wurde in eine Zeit des Unbekannten geboren. Eine Zeit in der ein Keim spross, dessen Ende selbst Benjamin Tabart nicht zu sehen vermocht hätte. 1996 galt das Rollenspielgenre in der westlichen Welt als tot. Zwar schwämmten viele Japano-RPG’s durch Nintendo in den hiesigen Markt, jedoch wagte kaum ein ansässiger Entwickler sich an dieser komplexen und Ressourcen-intensiven Gamingkost. Man wollte Arcadige Titel produzieren, Super Mario einige Jahre zuvor war der glanzvolle Götze eines ganzen Industriezweiges. Doch wie so oft, schaffte es Blizzard mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit in eine Bresche zu stoßen, derer Potential sich im kollektiven Bewusstsein nur die wenigsten Gewahr waren. Toller Satz.

Doch war es wirklich Schwiegermutter Gaming’s Liebling, der sich an jenem Silvester in Hemd und Schuh warf?

Aufarbeitung eines Traumas

Brutale Folter, widerlich dreinblickende Untote und endlose Scharen verdammter Seelen aus der Unterwelt. Was zunächst wie die neueste Staffel Supertalent klingt, war damals ein adäquates Mittel heranwachsende Buben wie mich zu unterhalten. FSK16 hatte man immerhin zur Hälfte schon erreicht, demnach durfte man auch die Hälfte des Contents spielen. Oder so. War ja nicht so, als hätte das eine Rolle gespielt – mit einem Geisteszustand der sich höflich als „Kacknoob“ umschreiben ließ war nach 10 Minuten Spielzeit sowieso Feierabend. Zu diesem Zeitpunkt hatte man nach zahllosen Wipes und einigen verdrückten Krokodilstränen den ersten tückischen Goblin niedergestreckt, hielt sich für den Schlächter des Herren der Hölle selbst und konnte mit Stolz geschwällter Brust seiner Wege gehen.Wäre mein großer Bruder nicht gewesen, ich hätte nie von den blutigen Massakern und dämonischen Opferungen von Jünglingen tief unten in den Katakomben erfahren. Vielen dank dafür übrigens. Ich wollte sowieso nie wie die anderen Kinder sein.

Heute – 18 Jahre und eine handvoll Therapien später – blicke ich mit erhabener Adoleszenz zurück auf ein Gespenst meiner Kindheit und schwelge freudig in düsteren Erinnerungen. Denn mit einem furiosen Intro startet das Spiel und zeigt direkt, wo der Frosch seine Locken hat. Die grafische Rafinesse bewegt sich dabei vorallem gegen Ende hin irgendwo zwischen studentischer Render-WG und Pacman 3D, untermalt jedoch das einladende Ambiente einer osteuropäischen Hinterhofdisko. Es erinnert mich von seiner Inszenierung ein wenig an The Ring und hat zu seiner Zeit sicher die Vodoo Grafikkarten dieser Welt zum Glühen gebracht. In der Retrospektive gelingt es einem zwar schwerlich, den ein oder anderen Lacher über solch rudimentäre Tölpelei von Grafik zu unterdrücken – man fühlt jedoch auch heute noch die wirklich fiese Grundstimmung des gesamten Spiels.

Die anschließende Klassenauswahl ist zumindest im Grundspiel etwas überschaubarer als bei den neueren Teilen. Zunächst stehen einem Krieger, Jäger und Zauberer zur Verfügung. Mit dem Addon „Hellfire“ kamen dann schließlich noch der Mönch, die Bardin und der Barbar dazu. Dass Letztere zu 2/3 den Skin der Originalklassen besitzen ist im Übrigen nicht zuletzt Blizzards Politik zu verdanken. 1997 gaben diese bei der Sierra Group ein Addon in Entwicklung – und erwarteten im selben Jahr noch dessen Veröffentlichung. It’s done, when it pays off. Dieser etwas fade Beigeschmack bleibt heute rückblickend haften, entwürdigt jedoch nicht ein ansonsten interessantes Spiel. Doch um es mal in der Sprache von euch Juppie-Kids da draußen zu sagen:

DiCaprio - We need to go deeper

Über Gedankenkopulation und Wanderburschen

Viel verpöhnt und oft stiefmütterlich behandelt wurde die gesamte geschichtliche Entwicklung der Diabloserie. Besonders Diablo 2 glänzte in meinen Augen wirklich mit einer stilistisch sehr ansehnlichen, erwachsenen Welt und einem Antagonisten, den man als Diablo 1 Anhänger noch in guter Erinnerung behalten hatte. Der dunkle Wanderer, dessen Zwischensequenzen sich durch den gesamten Plot des zweiten Teils ziehen, ist nämlich nichts anderes als der namenlose Hauptheld des ersten Teils. Diese Brücke zu schlagen war für mich als Spieler beider Titel ein Mindfuck der Extraklasse. Ich begab mich förmlich auf die Jagd nach einem Monster, das ich selbst geschaffen hatte. Umso interessanter war es heute mit all dem Wissen der Nachfolger wieder in die Welt einzutauchen, in der alles begann. Nichts unfassbar neues, nichts wirklich herausragendes, aber insgesamt einfach stimmig und rund mit dem kleinen Moment Genialität am Schluss.

Wer eine knappe Zusammenfassung der Geschehnisse des ersten Teils samt Atmo-Teaser genießen möchte, sei auf meinen Part 1 an dieser Stelle verwiesen. Stay a while and read it! Sofort!

 

Kein Applaus für Scheiße

Ja,…das Gameplay. Heute als Blizzards größte Stärke bekannt, verkommt in Diablo 1 zu einer sehr umständlichen, statischen, fast nervigen Anneinanderreihung von Dummheiten. Reicht schon, dass ihr das in meinen Texten ertragen müsst. Bei Diablo 1 bedeutet das aber wiederum ein Inventar, das permanent überladen ist, ein Einsatz von Zaubern, der zwar wirklich nützlich und schön anzusehen – aber über die vielen Zauberrollen zum Teil nur nervig ist. Als Krieger hat man im Nahkampf quasi ausnahmslos seinen Standardschlag im Einsatz. Der ist noch dazu am effektivsten, wenn man sich in Türrahmen stellt und einem Monster nach dem anderen den Loot aus dem Wanst knüppelt. Das wäre soweit okay, wenn es nicht an einigen Stellen der einzige Weg wäre gescheit durch eine Mobgruppe zu kommen ohne sich permanent durchsterben zu müssen. Man merkt dem Spiel an, dass es ursprünglich Rundenbasiert gedacht war und nachträglich eine Point&Click Steuerung aufgedrückt bekam. Resultat ist ein Kompromiss, der das Ganze zwar auch auf der Playstation 1 spielbar machte, aber einfach nicht ausgegoren wirkt. Trotz vieler wirklich guter Ansätze leider auch mein stärkstes Argument gegen den Wiederspielwert. Wirklich nur für sehr leidensfähige Gesellen da draußen. Vielleicht ist der Kacknoob in mir aber auch einfach nie verschwunden.

Was man dem Spiel jedoch lassen muss, ist der wirklich erkennbare Grundstock auf dem der Kassenschlager Diablo 2 aufbaut. Viele der Mechaniken sind in der Fortsetzung wiederzufinden, dazu gehören unter anderem die Schreine, die endlosen Fallen, zerstörbare Fässer und die ganze wirklich stimmige Soundkulisse. Auch der Drang zur Itemjagd ist spürbar schon vorhanden, wenn auch weniger ausgeprägt. Das liegt aber vermutlich auch daran, dass ein Multiplayer nie wirklich konsequent gefördert wurde und die meiste Zeit eher Beiwerk darstellte. Insgesamt wird man während des Spielens das Gefühl nicht los, sich in einer ärmeren, abgespeckteren Version der Fortsetzung zu befinden. Das mag vielleicht eine logische Weiterentwicklung darstellen, trägt aber nicht zum Verlangen des „Wieder ausgraben und durchzocken“ bei. Schade eigentlich.

Viele Fans von Diablo 2 werden mit Verwunderung feststellen, wie viele der Mechaniken bereits im Vorgänger existierten. Hier sehr gut die damaligen Townportals zu erkennen.

Viele Fans von Diablo 2 werden mit Verwunderung feststellen, wie viele der Mechaniken bereits im Vorgänger existierten. Hier sehr gut die damaligen Townportals zu erkennen. Auch ein Großteil der Monster hat sich in den letzten 18 Jahren nicht wirklich weiterentwickelt. Macht sie mir aber irgendwie sympathisch.

Ein Plädoyer für Dreck

Lasst mich einen Strich unter das Geschriebene machen: Auf der Seite der Schwächen und als klares Argument gegen einen Revival Abend vor der Playstation mit Frufo, Capri-Sonne und einem Gang durch die Pforten der Hölle des ersten Diablo-Teils spricht ganz klar das Gameplay. Nur die Tüchtigsten unter Euch werden es lange genug aushalten, als dass die positiven Eigenschaften des Spiels ihren Sog entwickeln könnten. Vieles ist nicht mehr zeitgemäß und der Schwierigkeitsgrad allgemein recht hoch. In den endlosen Gängen des Klosters, nach dem sich selbst die Limburger Bischöfe die Finger lecken würden, stellt sich doch recht schnell eine gewisse Eintönigkeit ein. Dafür weiß Blizzard jedoch für konstant dichte Atmosphäre zu sorgen. Und scheiße nochmal was für eine Atmosphäre! Alles ist so verdammt düster, brutal und man hat wirklich das Gefühl an jeder Ecke lauert jemand, der einen Ruckzuck aus den Lederslippern schlägt. Die Welt ist dreckig, bedrohlich aber irgendwie auch einfach gestrickt. Es versucht nicht mit zig verschiedenen Wendungen unglaublich tiefgründig zu wirken. An dieser Stelle sehe ich mich auch genötigt einen Blick Richtung Diablo 3 zu werfen. Denn all das sind Eigenschaften, die mir den dritten Teil trotz seiner handwerklichen Stärken zerstört haben. Heutzutage spielen sich die meisten Games und auch die Diablo-Serie viel runder, flüssiger, ohne langweilige Stimmungstiefs – aber sie haben zum Teil ihr Herz verloren. Vielleicht nicht nur trotz, sondern auch gerade weil sich nicht alles so locker runterspielen ließ findet man viele wirklich packende Spiele eher in den letzten Jahrzehnten, als im Jahre 2014.

Es gibt bei Leibe auch heute noch viele Titel, die diese Zeilen lügen strafen. Diablo an sich ist aber eines der Beispiele, wie aus einem stimmungsdichten Frustmarathon einer der flachen Effektbombasten von heute wurde.  Es war wirklich nochmal spannend zu sehen, woher das Genre kommt und wohin es in den letzten 18 Jahren gegangen ist. Meine ganz persönliche Erkenntnis daraus: Weniger Tubbie-Schmusen, mehr Mut zu Dreck.

Alex