Hass unter Videospielern – Verkommt die Community?

Hackerangriffe, Mobbing, Mord- und Bombendrohungen. Wenn die digitale Community 2014 in den Schlagzeilen auftauchte, dann oft nicht im allerbesten Licht. Dabei wollen wir doch eigentlich alle nur spielen, oder? Leider ist das nicht ausschließlich der Fall, denn es gibt immer wieder Menschen, die die vermeintliche Anonymität des Internets nutzen, um anderen Schaden zuzufügen. Gerade in der Gaming-Szene wird zur Zeit so scharf geschossen, dass die International Game Developers Association (IDGA) nun ankündigte in Zukunft verstärkt als erste Anlaufstelle für entsprechende Opfer zu fungieren. Viel mehr noch: Der unabhängige Game Designer Andreas Zecher wandte sich nun in einem offenen Brief an die Spieler und rief dazu auf, den Hass zu beenden. Über 1300 namenhafte Entwickler haben das Schriftstück bereits unterschrieben und die Zahl wächst stetig.

Phil-Fish

Phil Fish, Entwickler des Spiels „Fez“, zog sich vollkommen aus der Branche zurück, nachdem Hacker seine persönlichen Daten im Internet veröffentlichten.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Hier spielt die bereits erwähnte digitale Verschleierung eine große Rolle, denn im Internet kann jeder jederzeit jeder andere sein. Und überhaupt, wie wahrscheinlich ist es schon, dass ich mein virtuelles Gegenüber irgendwann mal in der Realität antreffe? Da werden Manieren und höfliche Umgangsformen gerne mal vergessen. MMORPGs sind hierfür das beste Beispiel, denn nirgendwo sonst trifft man in kürzester Zeit mehr Menschen, ohne ihnen wirklich zu begegnen. Versteckt hinter einem Avatar, mit Nickname und idealisiertem Aussehen kämpft man sich in den meisten dieser Spiele in kleinen Gruppen durch diverse Fantasywelten. Die Rollen sind dabei oft klar verteilt: Die einen heilen, die anderen schützen und wieder andere hauen die Gegner um. Stirbt die ganze Gruppe den virtuellen Heldentot, wird der Schuldige gesucht und ein Konflikt entbrennt. Je nach Gemütslage der Spieler fliegen dabei allerlei Schimpfworte durch den Chat, ist eine Gruppe sogar über Kommunikationsprogramme wie Teamspeak verbunden, können auch schonmal Tränen fließen. So weit, so gemein, so harmlos.

MMORPG-raid-World-of-Warcraft

Die Schlachtzüge in World of Warcraft erfordern Teamwork und Timing. Konflikte zwischen Spielern sind hier oft vorprogrammiert.

Anders sieht die Sache aus, wenn öffentliches Eigentum beschädigt, oder ein Menschenleben in Gefahr gebracht wird. Ein Spiel, welches durch solche Vorfälle in den letzten Jahren die Newsfeeds vieler Spielemagazine zierte, ist die Weltraumsimulation Eve Online. Wie in meinem Vorstellungsartikel erwähnt gehört Eve zu meinen Lieblingsspielen, es war mein erstes MMORPG und ich verfolge es bis heute. Die Community in Eve wird von vielen Spielern als einzigartig beschrieben, weil es im Gegensatz zu anderen Spielen so gut wie keine vom Entwickler vorgeschriebenen Regeln gibt. Vom fiesesten aller Fieslinge, der Neulinge um ihr erspartes Geld bringt, bis zum spendablen Heilsbringer, der den armen Seelen ihr Geld zurückgibt, findet man hier alles. Im Jahr 2012 erlangte der Spieler Alexander „The Mittani“ Gianturco öffentliche Aufmerksamkeit, als er auf dem jährlich stattfindenen Eve Fanfest vor tausenden Zuschauern eine Rede hielt, in der er seine Mitspieler dazu aufforderte, einen anderen Spieler zum Selbstmord zu ermutigten. Dieser hatte sich zuvor online bei Gianturco beschwert und ihm im selben Zug gestanden, dass er psychisch labil und selbstmordgefährdet sei. Der Entwickler CCP Games verbannte Mittani daraufhin für 30 Tage aus dem Spiel, er entschuldigte sich bei seinem Opfer, verletzt wurde niemand. Kaum zwei Jahre später, auf dem Fanfest 2014, verunstaltete ein anderer Spieler ein von CCP enthültes Denkmal im Hafen von Reykjavik. Dieses Mal reagierte man härter, erstattete Strafanzeige und sperrte die Accounts des Täters permanent.

Eve Monument

Das Eve Online Monument in Reykjavik. In den Sockel sind die Nicknames aller Spieler graviert. Ein Dank der Entwickler an die Community.

Von Tränen im Teamspeak über öffentliches Mobbing bis hin zur Sachbeschädigung. Warum aber richtet sich der Hass einiger Spieler in letzter Zeit anscheinend vermehrt gegen Spieleentwickler? Sollten gerade sie nicht als eine Art Held der Community gelten? Immerhin erschaffen diese Menschen die Welten und Figuren, die wir alle so sehr lieben.

Meiner Meinung nach spielt hier die Distanz zwischen Community und Entwicklern eine große Rolle, denn noch nie waren wir, die Spieler, den Erschaffern unseres Hobbies so nah. Jedes große Studio ist mittlerweile in den sozialen Netzwerken vertreten und beispielsweise über Twitter oder Facebook rund um die Uhr erreichbar. Plattformen wie Kickstarter oder Steam Greenlight geben Spielern sogar die Chance, sich direkt in den Entwicklungsprozess eines Spiels einzuklinken und mitzureden. Dementsprechend einfach ist es natürlich auch seinem Ärger Luft zu machen. Ähnlich spitzte sich beispielsweise der Konflikt um Zoe Quinn zu, welcher mit einer einfachen Forendiskussion begann und im Diebstahl ihrer persönlichen Daten gipfelte.

Zoe Quinn

Zoe Quinn entwickelte das Spiel „Depression Quest“ und wurde daraufhin belästigt und bedroht. Als Hacker ihre persönlichen Daten stahlen, zog auch sie sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Vorfälle wie diese blieben zum Glück bisher Einzelfälle und man darf natürlich nicht alle Schafe über einen Kamm scheren! Auf Grund solcher Schlagzeilen die gesamte Gaming-Gemeinschaft zu verurteilen, wäre lächerlich. Straftaten und ruppige Umgangsformen existieren bedauerlicherweise in vielen Bereichen des Lebens und das Internet ist voll davon. Gerade weil Videospiele in großen Teilen der Gesellschaft noch skeptisch beäugt werden, darf man nicht vergessen, dass es beim Spielen doch am allermeisten um das Miteinander geht. Eve Online zum Beispiel machte nicht nur negative Schlagzeilen. Im Januar diesen Jahres berichtete sogar BBC über die bis dato größte Schlacht des Spiels, an der über 4000 Spieler gleichzeitig teilnahmen. Auch der Bereich der e-Sports rückt immer weiter in die Öffentlichkeit. So veröffentlichte die britische Zeitung The Guardian erst kürzlich einen Artikel über die wachsende Beliebtheit dieser Events. Im selben Atemzug müssen selbstverständlich auch die großen Spielemessen, wie Gamescom, PAX oder Blizzcon erwähnt werden, die jährlich dafür sorgen, dass Spieler aus der ganzen Welt zusammenfinden um sich auszutauschen und gemeinsam zu feiern.

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Spielemessen, wie die Gamescom in Köln, sind mittlerweile so gut besucht wie große Musikfestivals.

Warum schreibe ich diesen Artikel, mag sich manch einer vielleicht gerade fragen. Klingt ja eigentlich alles halb so wild. Das ist es aber nicht! Denn ähnlich wie im realen Leben, ist auch in Videospielen mittlerweile Zivilcourage gefragt, wenn wir, die Spieler, einen Verfall der Community verhindern wollen. Dazu braucht es kein Wunder, ein kleines Fünkchen gesunder Menschenverstand reicht bereits aus. Ich denke, ich kann davon ausgehen, dass unsere Leser diesen besitzen. Dennoch, wenn Ihr das nächste Mal online unterwegs seid, denkt immer daran, dass am anderen Ende der Leitung auch jemand sitzt, der Euer größtes Hobby teilt. Solltet ihr belästigt werden, oder solches Verhalten beobachten, dann kontaktiert bitte den entsprechenden Support.
Bedroht man Euch oder andere persönlich, zögert nicht und informiert die Polizei.

Noch ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen. Wir sind Gamer aus Leidenschaft, eine weltumspannende, einzigartige Community. Wenn jeder seinen kleinen Teil dazu beiträgt, können wir viel erreichen!